Lesung „Was man von hier aus sehen kann“


Der Besuch einer Lesung ist für mich wahrlich kein jungfräuliches Ereignis. Dennoch ist jede neue Veranstaltung natürlich eine Besonderheit für sich.
Dass Mariana Leky ausgerechnet am ersten Sonntag des Jahres in meiner Nähe Halt machte, in dem ich beschlossen hatte mich mehr Erlebnissen denn Dingen zu verschreiben, betrachte ich, genau wie ihr Buch „Was man von hier aus sehen kann“ , als eine kleine Fügung.So ging es am sonnigen Morgen des 07.01.2018 in bester Gesellschaft ins kulturelle Oldenburg. Wegen großer Nachfrage ins Kulturzentrum PFL verlegt, sollte Mariana Leky im Zuge ihrer „LiteraTour Nord“ ihren aktuellen Roman vorstellen.
Uniprofessorin und Sprecherin o.a. Institution, Sabine Doering, führte durch das Programm und verwickelte Mariana Leky zwischen ihren drei Leseabschnitten in ein interessantes Gespräch über die Entstehung von „Was man von hier aus sehen kann“ und seine liebenswerten Protagonisten.

Als Mariana Leky den gut gefüllten Saal und seine Bühne betritt, wird sie neugierig von den überwiegend weiblichen Zuhörern beäugt. Freundlich lächelt sie in die Runde, wirkt ein wenig nervös, aber auch sichtlich erfreut über die große Resonanz.
Mir scheint sie sofort äußerst sympathisch. Was wäre gewesen, wenn sich hinter diesem großartigen Buch eine höchst merkwürdige Autorin verborgen hätte? Hatte ich doch die Vorstellung, dass eine Person, die eine solche Geschichte aus ihren Händen hat fließen lassen, auch selbst irgendwie großartig sein musste. Und diese Frau wirkt schlicht. Auf eine eben großartige und bodenständige Weise schlicht. Nicht einnehmend, nicht abschätzend, nicht autoritär, nicht distanziert, sondern als gehöre sie als letztes Puzzlestück in eben jene Runde um sie zu komplettieren (und das nicht nur, weil wir ja alle wegen ihr dort erschienen waren 😉 ).
Wer ein Pünktchenshirt unter einem schwarzen Pulli trägt, der kann nur liebenswert sein- das sei an dieser Stelle einmal festgehalten!

Sandra Hüller hat die Hörbuchversion des Romans wunderbar eingelesen, doch schnell wird mir bei dieser sonntäglichen Lesung der Autorin klar, dass sie selbst es mindestens genauso gut gemacht hätte. Gerne höre ich ihr zu, bin so aufgeregt Selma und Luise und den Optiker und all die Menschen der Geschichte wieder zu treffen und ebenso gespannt, welche Abschnitte wohl gelesen werden würden- wahrscheinlich hätte mich am Ende doch jeder zufriedengestellt.


Dass auch Professorin Sabine Doering das Buch gerne gelesen hat, merkt man dem Gespräch schnell an. Gewissenhaft vorbereitete Fragen eröffnen uns gespannten Lauschern interessante Einblicke in die Entstehung des Romans und wirken wie aus dem lockeren Gespräch heraus entstanden.
Da ist z.B. die Frage, wie denn das Okapi quasi zum Wappentier von „Was man von hier aus sehen kann“ geworden ist?
Mariana Leky antwortet gleichermaßen humorvoll, wie sachlich. Es braucht nicht lange festzustellen, dass ihr Schreibstil nicht „gesondert heraufbeschworen“ wird, sondern tatsächlich ihre Art des Ausdrucks wiedergibt. Denn die grandiose Mischung aus charmantem Humor und anrührender Tiefgründigkeit, findet sich sogleich auch in den Antworten der Autorin wieder.
Das Okapi selbst fand Mariana Leky also einfach schon immer unglaublich schön und mit dem Roman hätte es dann eine günstige Gelegenheit gegeben, es auch in der Literatur zu verankern. Im Nachhinein ließe sich das außergewöhnliche Tier aber auch als eine Art Gallionsfigur für etwas sehen, das nicht zusammenpasse, am Ende aber doch ein schlüssiges Ganzes ergäbe.

Natürlich geht es auch um die Entwicklungen der Geschichte und ihren Menschen. Standen diese von Anfang an fest oder führten Figuren auch mal ein Eigenleben? Zu meiner Überraschung sei die zuerst feststehende Person Luise gewesen, hätte ich doch eher gedacht, dass Selma die Sonne wäre, um die sich alles entwickelt hatte.
Luise sei der Jemand gewesen, der nach einem Verlust in der Kindheit Angst vor der Liebe verspüren würde. Zentrale Themen wie jene Liebe und Trauer seien dabei keine revolutionären Ideen in der Literatur oder der Griff nach den ganz großen Sternen am Buchhimmel, sondern große Themen des wirklichen Lebens.
Die anderen Personen hätten dann angefangen sich rund um Luises Geschichte zu bewegen. Trotz eines feststehenden Ziels und gewissenhafter Arbeit am Plot, habe sich der Weg bzw. Verlauf der Geschichte also erst beim Schreiben selbst entwickelt.

Sehr amüsant kommt schließlich die Erklärung für die auffällige Betitelung des Optikers daher, dessen wahrer Name nur in einer kleinen Passage zum Ende des Buches hin einmal erwähnt wird.
Für mich völlig plausibel und einfach genial ist die nun erwähnte Tatsache, dass man in Märchen oftmals auch nur vom Prinzen oder König o.ä. spräche, selten aber einen Namen lese. So könne dieser heldenhafte Oberbegriff deutlich besser mit eigenen Vorstellungen gefüllt werden. Sei es doch nicht auszudenken, was die Phantasie aus Edmund oder ähnlichen Sonderbarkeiten schaffen würde. Prinz und Optiker hingegen ließen doch viel heroischeren Spielraum.

Besonderen Gefallen finde ich zum Ende an den Informationen, die Mariana Leky über das kleine Dorf, seine Bewohner und die Achtziger/Neunziger als zeitliche Einordnung des Romans gibt.
So sorge eine Zeit, in der Smartphone und Internet keine tragende Rolle spielen, für eine Art Entschleunigung. Die Menschen müssten miteinander reden, ein Telefonanruf bekäme Gewicht und man würde durch Technik nicht gestört. Für den Leser ergäbe sich dadurch Ruhe und infolgedessen auch eine Verlässlichkeit, während die Lebensgeschichten der Figuren dennoch krumm und schief verliefen.
Die Menschen hielten einander aus und genau das führe letztlich zu Nähe!

Am Ende der Lesung, die gerne noch ewig so hätte weitergehen können, signiert Mariana Leky gut gelaunt und äußerst freundlich noch zahlreiche Bücher.

Schlussendlich ist nur festzuhalten: der Besuch einer Lesung von Mariana Leky ist uneingeschränkt und mehr als empfehlenswert!
Ein gelungener Auftakt zu „Mehr Erlebnisse denn Dinge“!
(Der Matcha Latte, den ich danach zum ersten Mal in meinem Leben getrunken habe, wird dagegen unter „Erfahrung“ verbucht. Dieses geschmackliche Erlebnis brauche ich nicht unbedingt noch einmal 😀 )

5 Gedanken zu “Lesung „Was man von hier aus sehen kann“

      1. Eher seine Rhetorik. So viele Äh’s, dass es selbst mich gestört hat (und ich verstehe, wenn man nervös ist und sich mal eins einschleicht, wirklich). Außerdem waren seine Fragen gefühlt jedesmal 5 Minuten lang, obwohl 20 Sekunden gereicht hätten (viele Wiederholungen und Unpassendes).
        Aber ja, der Leseteil war trotzdem gut.

    1. packingbooksfromboxes

      Danke 🙂 Man hofft natürlich auf so eine Entwicklung, wenn einem das Buch schon so gut gefallen hat. Herzlich willkommen übrigens bei mir!

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